Elegie

Nicht des Seins und nicht des Werdens

Elegie

Wehe! Wehe diesen Zeiten!
Nicht des Seins und nicht des Werdens
Zarte Frühlingskraft durchwärmt sie:
Zur des Lichts Sumpfblumen blühen.

Denn im Hohn der Gegensätze
Fehlt der Balsam der Vermittlung,
Und an dialekt'schem Krampfe
Kranket jetzt das Universum.

Statt mit vollem Zug zu schlürfen
Von des absoluten Äther,
Drohn im primitiven Urschlamm
Die Subjekte zu versinken.

Und ob sie das Objektive
Auch mit Kraft und Spat zerhacken:
Keinem neigt die Wünschelrute
Zu dem Erz sich des Begriffes.

An der Zukunft Horizont drum
Glühn nur wilddramat'sche Flammen,
Denn in Kirche, Staat und Leben
Ist das Ethos jäh verduftet.
- Dies erwägende lenkt der Denker
Seine Schritte stumm zur Schenke,
Und er trinkt im trüben Pathos
Ob der Zeit chaot'schem Wimmeln.

Und begrifflich säuft er weiter,
Und wenn er im schiefen Gang dann
Basislos und krumm herumwankt,
Spiegelt sich in ihm das Weltall!
Joseph Victor von Scheffel 

Joseph Victor von Scheffel (1826 – 1886), Joseph Victor Scheffel, ab 1876 von Scheffel, deutscher Schriftsteller und Dichter