Das Rosenknöspchen

Ein Hänflingweibchen, das mit Luft

Das Rosenknöspchen

Ein zartes Rosenknöspchen fand
Ich neulich, das im Lenzgewand
Auf schlankem Stengel glühend stand,
Betaut vom frischen Morgen.
Zwei Frühlingsnächte schwanden kaum
Seit ihm erblüht des Lebens Traum,
Und Duft es haucht' am Wiesenschaum
Bei himmelblauem Morgen.

Ein Hänflingweibchen, das mit Luft
Sein Nest im Busch zu baun gewußt,
Saß neben ihm, die warme Brust
Vernetzt vom tauigen Morgen;
Bald sieht's vielleicht in Mutterglut,
Wie Schwingen hebt die jung Brut,
Und zwitschernd über Wald und Flut
Begrüßt den heitern Morgen.

So du, lieb Vöglein, zarte Maid,
Erblüht in holder Sittsamkeit,
Lohnst auch der Pflege, dir geweiht
An deines Lebens Morgen;
Ein Rosenknöspchen, jung und schön,
Wirst du im Blumengarten stehn,
Und Segensduft den Lieben wehn,
Die dich bewacht am Morgen!

Robert Burns

Robert Burns (1759 – 1796), schottischer Dichter, Schriftsteller.

aus: Robert Burns‘ Gedichte, übersetzt vom schottischen ins deutsche von. Wilhelm Gerhard. Mit des Dichters Leben und erläuternden Bemerkungen. Gedichte, Lieder und Balladen. Seite 153 – 154