Blumengruss

Bringt Veilchen mir, daß ich den Frühling schaue

Blumengruß

Bringt Veilchen mir, daß ich den Frühling schaue,
So lang des Maies zarte Kinder blühn -
Wie sind sie schöne im jungen Morgenthaue!
Bringt Veilchen mir, daß ich den Frühling schaue,
Bringt Blüten mir und junges Maiengrün!

Bringt Rosen mir, des Lenzes Haupt zu krönen,
Die Sanduhr rinnt, die Blüten sinken hin!
Bald wird des Sommers Scheidegruß ertönen!
Bringt Rosen mir, des Lenzes Haupt zu krönen,
Bringt Blumen mir, so lang die Blumen blühn!

Agnes Franz

Louise Antoinette Eleonore Konstanze Agnes Fransky (1794 – 1843)

Das Blatt der Frühlingsweide

Nicht deshalb lieb ich jene junge Frau

Das Blatt der Frühlingsweide

Nicht deshalb lieb ich jene junge Frau,
Die träumerisch an ihrem Fenster lehnt,
Weil sie den ragenden Palast besitzt
Am Gelben Flusse, - nein, ich liebe sie,
Weil sie dies kleine Blatt der Frühlingsweide
Ins Wasser gleiten ließ . . .

Nicht deshalb liebe ich den Ostwind, weil
Er mir den holden Duft der Birnbaumblüten
Herüberträgt von blumig weißen Höhen, -
Nein, weil er mir das Blatt der Frühlingsweide
An meinen Kahn trieb, - darum lieb ich ihn!

Nicht deshalb lieb ich dieses kleine Blatt
Der Frühlingsweide, weil es mir die Wonnen
Des Lenzes bringt, - nein, weil die junge Frau
Mit einer feinen Nadel meinen Namen
Hineingeritzt hat, - darum lieb ich es!

Chang Chiu-Ling

Chang Chiu-Ling (673 – 740), chinesischer Dichter, Politiker. Auch Zhang Jiuling; Chang Tiou-Lin; Dschang Giu Ling; Tchan-Tiou-Lind

Das Gedicht ‚Das Blatt der Frühlingsweide‘ von Chang Chiu-Ling wurde vertont.

sich so ihres Lebens freun

Orchis neigt im Lenz die schlanken Blätter

Orchis neigt im Lenz die schlanken Blätter,
Kassia blüht im Herbste weiß und rein,
Werden, wachsen, ihnen ist es Wonne,
Wenn sie sich so ihres Lebens freun.

Wer denn weiß, wie die Waldbewohner
Winden lauschen, still im Grund, vergnügt?
Gras und Bäumen ist ein Eigenwesen,
Warten nicht, daß sie die Schöne pflückt.

Chang Chiu-Ling (673 – 740), chinesischer Dichter, Politiker. Auch Zhang Jiuling; Chang Tiou-Lin; Dschang Giu Ling; Tchan-Tiou-Lind.

Die Haarlocke

Kleinod, das als goldnes Wölkchen

Die Haarlocke

Kleinod, das als goldnes Wölkchen
Einst an meinem Himmel stand,
Einst ein Ring der Kron', mit welcher
Schönheit ihr das Haupt umwand;
Däuchst mir nun ein welkes Blättlein,
Im verflossnen Lenz gepflückt,
Das in bangen Winterstunden
Mir den Lenz vors Auge rückt.

Also wird ein Pilgerleben,
Was uns längst die Zeit entrafft,
Neu im Kleinen uns gegeben,
Fesselnd mit verjüngter Kraft;
So ein Blatt nur von dem Baume,
Der einst Liebende umwallt,
So ein Bild nur aus dem Traume,
Welcher der Geliebten galt!

Anastasius Grün

Count Anton Alexander von Auersperg (1806 – 1876), österreichischer Dichter, Schriftsteller, Politiker. Pseudonym: Anastasius Grün.

Der Frühling

Der Winters Hülle deckte

Der Frühling

Des Winters Hülle deckte
nicht mehr die öde Flur;
der Hauch des Lenzes weckte
die schlafende Natur.
Es wurden schon die Schatten,
es duftete der Pfad,
den Flora mit dem Gatten
jüngst, Hand in Hand, betrat.

Blauäugige Amoene,
ertönete mein Lied;
verändert ist die Szene,
der rauhe Winter flieht,
kein Nordwind drohet weiter
der zarten Haut Gefahr,
ein West, wie du so heiter,
spielt um dein blondes Haar.

Des Frühlings erste Blume,
komm, suche sie mit mir!
Zu Venus' Heiligtume
bring' ich sie dann mit dir,
dass sie das Denkmal kränze
des Dichters, dessen Lied
unsterblich, gleich dem Lenze,
dem er es weihte, blüht.

Dann schleichen wir zur Laube
bei meiner Flöte Schall;
dort girrt die Turteltaube,
dort ächzt die Nachtigall.
Dort wollen wir im Kühlen,
des Neides Aug' entrückt,
die Macht des Gottes fühlen,
der alles neu beglückt.

Sie teilte das Verlangen,
das meine Brust empfand;
es glüht' auf ihren Wangen,
es schlug in ihrer Hand.
Doch schnell benetzten Zähren
den unruhvollen Blick;
mit jungfräulichem Wehren
zog sie die Hand zurück.

Du weigerst dich, Amoene?
Ist's Misstrau'n? Ist es Scherz?
O trockne diese Träne,
du kennest Damons Herz!
Auch in verschwieg'nen Lauben
ist's, wie die Quelle, rein
und ohne Falsch, wie Tauben,
und ganz, Amoene, dein!

Friedrich Wilhelm Gotter

Friedrich Wilhelm Gotter (1746-1797)deutscher Schriftsteller, Dichter

Der Frühling

Als das Herz mit ihm bekannter Weisen

Der Frühling
(an die Frau von Wrech)

Freundin dessen, der die Welt regieret,
Der an diamantnen Ketten führet
Jene Sonnen über unserm Haupt!
Sieh'! an seiner Ordnung goldnen Seilen
Muß der Frühling neu herunter eilen
Mit dem Schmuck, den ihm der Herbst geraubt.

Siehe! wie beflügelt er gekommen
Und die Trauer der Natur benommen.
Wie er sie schon jugendlich geschmückt,
Mädchen, die den Lenz im Antlitz haben,
Männer, Jünglinge und kleine Knaben
Und der Greiß, der sich am Stabe bückt;

Alles geht, gereizt von den Gerüchen
Junger Veilchen, die so niedrig kriechen
Und doch edler, als die Tulpen sind!
Und der Hyacinthen ofne Glocken
Duften Balsam, den um seine Locken
Dir entgegen trägt der Frühlingswind.

Blat und Frucht, die in der Knospe lagen
Dringen sich des Schöpfers Lob zu sagen,
Aus der Hülle nun mit Macht hervor.
Wenn die stummen Redner prächtig blühen,
Steigt, in regellosen Symphonien
Aus den Zweigen ein Gesang empor!

Ohne Muse, ohne Kunst und Schriften
Singt die Lerche, schwebend in den Lüften,
Unaufhörlich ihr pindarisch Lied
Unter ihr, in früher Tagesstunde,
Singt mit bäurisch vollgenommnem Munde
Auch die Einfalt, welche Furchen zieht!

Lämmer, die noch an den Müttern saugen,
Blöken dem zum Lobe, dessen Augen
Das Insekt im Staube kriechen sehn.Ihn muß so der Wurm im Grase preisen,
Als das Herz mit ihm bekannter Weisen,
Als die Räder, die den Weltbau drehn.

O du Tochter seiner Lieb und Güte,
Der in jedem Lenz die junge Blüthe,
Und die grüne Saat sein Lob beschreibt.
Höher, als der Dichtgeist in dem Fluge
Preisest du mit jedem Athemzuge
Einen Gott, der deine Freude bleibt!

Alles singt ihm. – Seine Nachtigallen
Oft behorchend, will ich Lieder lallen
Voll vom Lobe dessen, der mich schuf;
Bienen, die auf Lindenwipfeln summen,
Und des Fleisses Lehrer, jene Stummen
Im Erdhaufen, werden mir ein Ruf!

Anna Luise Karsch

Anna Luise Karsch, geborene Dürbach (1722 – 1791), deutsche Dichterin, Schriftstellerin

Lieder

Mit wunderholdem süßen Klang

Lieder

Mit wunderholdem süßen Klang
Sagst du zu mir: "O meine Dichterliebe!"
Es ist dies Wort mir wie Gesang,
Wie frischer Ost verscheucht es meine Trübe.

Ich lechzte lang in meiner Nacht
Nach solcher Liebe, die ein Gott nur spendet,
Und gleich erhab'ner Göttermacht
Hast du den Fluch in Segen mir gewendet.

Ich liebe und ich bin geliebt -
Lenz, Leben, Lust sie kehren jubelnd wieder,
All jener Nebeldunst zerstiebt,
Und goldnen Strahls blickt Gottes Sonne nieder.

Mathilde Kaufmann

Mathilde Kaufmann, geborene Binder (1835 – 1907), deutsche Schriftstellerin, Dichterin. Pseudonym: Amra George-Kaufmann

Das Rosenknöspchen

Ein Hänflingweibchen, das mit Luft

Das Rosenknöspchen

Ein zartes Rosenknöspchen fand
Ich neulich, das im Lenzgewand
Auf schlankem Stengel glühend stand,
Betaut vom frischen Morgen.
Zwei Frühlingsnächte schwanden kaum
Seit ihm erblüht des Lebens Traum,
Und Duft es haucht' am Wiesenschaum
Bei himmelblauem Morgen.

Ein Hänflingweibchen, das mit Luft
Sein Nest im Busch zu baun gewußt,
Saß neben ihm, die warme Brust
Vernetzt vom tauigen Morgen;
Bald sieht's vielleicht in Mutterglut,
Wie Schwingen hebt die jung Brut,
Und zwitschernd über Wald und Flut
Begrüßt den heitern Morgen.

So du, lieb Vöglein, zarte Maid,
Erblüht in holder Sittsamkeit,
Lohnst auch der Pflege, dir geweiht
An deines Lebens Morgen;
Ein Rosenknöspchen, jung und schön,
Wirst du im Blumengarten stehn,
Und Segensduft den Lieben wehn,
Die dich bewacht am Morgen!

Robert Burns

Robert Burns (1759 – 1796), schottischer Dichter, Schriftsteller.

aus: Robert Burns‘ Gedichte, übersetzt vom schottischen ins deutsche von. Wilhelm Gerhard. Mit des Dichters Leben und erläuternden Bemerkungen. Gedichte, Lieder und Balladen. Seite 153 – 154

Das grau Lied

Der Lenz ist da , do will’s ihm nicht gelingen

Das graue Lied

Warum wird mir so dumpf und düster doch,
So matt und trüb um die beengte Seele,
Wenn ich an einem grauen Nachmittag
An meinen Büchern mich vergeblich quäle, –

Wenn wie ein aschenfarbiges Gewand
Der Himmel hängt ob den verschlafnen Auen
Und weit und breit von dem geliebten Blau
Nicht eine Spur das Auge kann erschauen?

Ein Geiglein tönt aus einem fernen Haus,
Man hört es kaum, gefühlvoll thät' es gerne,
Gezognem Weinen eines Kindes gleich
Mit dünnem Klang langweilig in die Ferne.

Kein Lüftchen geht, kein Grün bedeckt die Flur,
Der Lenz ist da, doch will's ihm nicht gelingen,
Die alten Streifen winterlichen Schnee's
In Wald und Graben endlich zu bezwingen.

So öd und still! Das schwarze Vöglein nur,
Das frierend sitzt auf jenes Daches Fahnen,
Zieht langgedehnten traur'gen Laut hervor,
Als wollt' es an ein nahes Unglück mahnen.
 
Ich weiß es wohl, solch grauer Nachmittag
Ist all mein Wesen, all mein Thun und Treiben.
Nicht Wehmuth ist's, nicht Schmerz und auch
nicht Lust,
Das Wort spricht's nicht, die Feder kann's nicht schreiben.
 
Mir ist, als war' ich selber Grau in Grau,
Zu viel der Farbe scheint mir selbst das Klagen,
Ob Leben Nichts, ob Leben Etwas ist,
Wie sehr ich sinne, weiß ich nicht zu sagen.

Friedrich Theodor Vicher 

Friedrich Theodor Vicher (1807 – 1887), deutscher Philosoph, Dichter, Schriftsteller

Die Rosen

Mit Grazien tanzt

Die Rosen

Der Rosen pflanz' ich immer mehr und mehr!
Weil Amor sich mit Rosenkränzen
Am liebst schmückt, wenn er
Mit den Grazien tanzt;
So werden in allen Herbsten und Lenzen
Rosen gepflanzt!

Mit Rosen schmück' ich mir mein braunes Haar,
Mit Rosen schmück' ich Amores Köcher,
Die ganze Musenschaar
Ist mit Rosen geschmückt,
Wenn Bachus in die geräumigen Becher
Rebensaft drückt!


J. W. L. Gleim

Johann Wilhelm Ludwig Gleim (1719-1803) deutscher Dichter, Sekretär, Fabeldichter, Schriftsteller, Aufklärer