Die Haarlocke

Kleinod, das als goldnes Wölkchen

Die Haarlocke

Kleinod, das als goldnes Wölkchen
Einst an meinem Himmel stand,
Einst ein Ring der Kron', mit welcher
Schönheit ihr das Haupt umwand;
Däuchst mir nun ein welkes Blättlein,
Im verflossnen Lenz gepflückt,
Das in bangen Winterstunden
Mir den Lenz vors Auge rückt.

Also wird ein Pilgerleben,
Was uns längst die Zeit entrafft,
Neu im Kleinen uns gegeben,
Fesselnd mit verjüngter Kraft;
So ein Blatt nur von dem Baume,
Der einst Liebende umwallt,
So ein Bild nur aus dem Traume,
Welcher der Geliebten galt!

Anastasius Grün

Count Anton Alexander von Auersperg (1806 – 1876), österreichischer Dichter, Schriftsteller, Politiker. Pseudonym: Anastasius Grün.

Die liebenden im Garten

Zephir streute Rosenblüten

Die liebenden im Garten

Durch den Garten irrt' ich sinnend,
Durch der Blumen bunte Pracht;
Sanfter Schimmer floß verrinnend
Durch des Laubenganges Nacht.

Und der Blumen farbig Feuer
Prangte reizend um mich her.
Leuchtend hob aus dunkelm Schleier
Sich die Rose, Düfte-schwer.

Und die Feuerlilien glühten
Flammenähnlich in den Kreis,
Und die Purpur-Nelken blühten
Bei der Lilie zartem Weiß.

Doch mich Armen mochte nimmer
Blumenduft und Reiz erfreun;
Ach, an Siddys Augenschimmer
Hing mein schmachtend Herz allein.

Und es weht ein ahnend Zittern
Wie von Götternäh' mich an;
Und der Laube trauten Gittern
Wagt' ich leise mich zu nahn.

Aber dichte Zweige woben
Von Syringen und Jasmin
Sich von unten bis nach oben,
Ganz sie hüllend in ihr Grün.

Ich zerriß den Flor von Zweigen,
Trat in ihren Tempel nun; -
Götter! und in heil'gen Schweigen
Sah ich Siddy schlummernd ruhn!

In der Locken seidnen Hülle,
Ihrer Anmuth unbewußt,
Ruhte sie in sichrer Stille,
Hob sich sanft die reine Brust.

Zephir stritt sich voll Entzücken
Mit dem rothen Abendschein,
Wer sie schöner möge schmücken,
Treuer sich der Holden weihn?

Säuselnd drang er durch die Aeste
In den Tempel, still und dicht;
Doch der Oeffnung von dem Weste
Folgte schnell das Abendlicht.

Zephir streute Rosenblüthe,
Hüllte ganz in Duft sie ein;
Doch der Abendstrahl umglühte
Sie mit lichtem Heil'genschein.

Vor der schönen Heil'gen nieder
Sank ich schweigend auf die Knie;
Und die holden Augenlieder,
O, wie süß erhob sie sie!

Und es klang vom zarten Munde:
Treuer, ja, auf ewig Dein!
Zeugen nur der heil'gen Stunde
Waren West und Abendschein.

Louise Brachmann

Karoline Louise Brachmann (1777 – 1822), deutsche Dichter, Schriftstellerin. Pseudonyme: Klarfeld, Louise B. Sternheim.