Das Hüttchen im Walde

Das meinen Wunsch in sich verschließt

Das Hüttchen im Walde 

So arm und klein das Hüttchen ist,
Das meinen Wunsch in sich verschließt,
So neidenswert wär' doch mein Los
Dürft' ichs bewohnen! — Sorgenlos
Und stets zufrieden, wär' gewiß
Mir dann die Welt ein Paradies.
So aber ist sie ohne dich
Nur eine Wüstenei für mich.

Gabriele Baumberg

Gabriele Bacsányi geborene von Baumberg (1785 – 1789), österreichische Dichterin, Schriftstellerin

Der See

Und mystisch durch die Wellen strich

Der See

In meinen jungen Jahren trieb
Mich Sehnsucht oft an einen Ort,
Der mich gebannt hielt wie ein Hort.
So war die Einsamkeit mir lieb
Von einem See, um dessen Rand
Ein schwarzes Felsgemäuer stand.

Doch wenn die Nacht ihr Bahrtuch warf
Auf diese Stelle und auf mich,
Und mystisch durch die Wellen strich
Der Wind, bald klagend und bald scharf,
Dann – ja – erschreckte mich oft jäh
Die Einsamkeit am dunklen See.

Doch dieser Schrecken war nicht Grau'n;
Nein, eine Lust, die Schauer barg,
So zitternd und dämonisch stark,
Wie sie in unterirdischen Gau'n
Der spüren mag, der einen Schein
Erhascht von flimmerndem Gestein.

Tod war um jenen giftigen Strand –
Und in der Flut ein Grab für ihn,
Der dort für seine Phantasien
Besänftigende Tröstung fand
Und den sein Träumen wandeln hieß
Das finstre Reich zum Paradies.

Edgar Allan Poe

Edgar Allan Poe (1809 – 1849) US-amerikanischer Schriftsteller, Dichter

Morgenstimmung

Mich aus Liebchen Paradies

 Morgenstimmung

Leise schleich ich wie auf Eiern
Mich aus Liebchens Paradies,
Wo ich hinter dichten Schleiern,
Meine besten Kräfte ließ.

Traurig spiegelt sich der bleiche
Mond in meinem alten Frack;
Ach die Wirkung bleibt die gleiche,
Wie das Kind auch heißen mag.

Wilhelmine, Karoline,
's ist gesprungen wie gehupft,
Nur daß hier die Unschuldsmiene,
Dort dich die Routine rupft.

Frank Wedekind

Benjamin Franklin Wedekind (1864 – 1918), deutscher Dichter, Dramatiker, Schauspieler

Wiegenlied

Leise kommt die stille Nacht

Wiegenlied

Schlaf, mein holder Knabe du,
alles neigt sich schon zur Ruh,
Tages Lärm ist längst verstummt,
nur die Abendglocke summt,
stille Nacht bringt sanfte Ruh,
holder Knabe, schlaf auch du!

Holder Knabe, träume süss,
von dem Himmelsparadies,
wo dein kleines Schwesterlein
schwebet in der Engel Reih’n,
tanzt und spielt und singt so süss,
träume, Kind vom Paradies.

Leise kommt die stille Nacht!
Schlafe bis der Tag erwacht,
bis der helle Sonnenschein
dringt in unser Kämmerlein
und die Welt auf’s Neu dir lacht,
schlaf mein Knabe, gute Nacht!

Anna Klie

Anna Klie (1885 -1913), deutsche Kinder- Jugendbuchautorin, Schriftstellerin, Dichterin, Lyrikerin