Vergänglichkeit

Vergänglich ist das festeste im Leben

Vergänglichkeit

Vergänglich ist das festeste im Leben –
Was trauerst Du, daß Liebe auch vergeht?
Laß sie dahin in's Reich der Zeiten schweben,
Leicht, wie des Lenzes Blüthenhauch verweht.

Doch halte fest ihr Schattenbild im Herzen,
Und segne dennoch freudig Dein Geschick,
Schließt auch sich eine Reihe bittrer Schmerzen
An Deines Glückes kurzen Augenblick.

Du hast gelebt, denn Liebe nur ist Leben!
Sie nur allein webt um den dunklen Traum,
Dem wir den Nahmen unsers Daseyns geben,
Der höchsten Wonne glanzerfüllten Saum.

So zürne nicht des Schicksals finstern Mächten,
Wenn sie des Lebens Sonne Dir entziehn.
Nicht ewig läßt sie sich in unsre Bahn verflechten,
Ach, sei zufrieden, daß sie einst Dir schien.

Natalie

Charlotte von Ahlfeld

Charlotte Elisabeth Luise Wilhelmine von Ahlefeld (1781 – 1849). Pseudonyme: Elisabeth Selbig, Natalia, Emetine, Frau Charlotte Seebach Felicitas, Elise Selbig, Marie Müller. Deutsche Schriftstellerin, Dichterin

Der gehaschte Schmetterling

Jüngst lag ich am Quellenrande

Der gehaschte Schmetterling
1796

Jüngst lag ich am Quellenrande
Unterm kühlen Pappelschatten.
Sorgenfrei war meine Seele,
heiter, wie des Baches Spiegel.
Um mich schwebten Schmetterlinge,
Wiegten sich auf Blumenkronen
Und beschauten sich im Bache.
Ich betrachte sie lächelnd,
Und mit ruhigem Vergnügen
Schaute bald mein Blick das leichte
Schweben, bald das Spiel der Farben
In den zarten Aetherflügeln.
Sieh da kam ein kleiner Knabe,
Blauer Wassernymphen jagend,
Welche scherzend vor ihm flohen,,
hinter mir aus dem Gesträuche.
keuchend stand er den mir stille,
Warf die blonden Ringellocken
Aus den vollen Gluthenwangen,
Und den süßen Schelmenaugen.
"Ach die schönen Schmetterling"
Rief er, "die dich hier umflattern!"
"Welche Luft, die Iris Gürtel,
"Und den Glanz der Perlenaugen
"Ihrer Fittig', in der Nähe
"Recht nach Muße zu berachten,
"Diese Flattrer fest zu halten!"
Er erregte meine Sehnsucht:
Ich erkohr mir mit den Augen
Den, der mich der schönste hauchte,
Und verließ mein sanftes Lager
Um den Flüchtigen zu fangen.
Aber immer lockend floh er
Vor mir her in kurzen Flügen,
Lockte mich vom Quell der Ruhe
Weit hinweg, in bange Wüsten.
Athemlos und müde folt' ich;
Endlich setzt auf einer Distel
Er sich fest; mit beiden Händen
Durch die Dornen nach ihn tappend,
hascht' ich ihn mit wunden Fingern.
Aber ach! nunmehr gewahrt' ich,
Daß sein ganzer Reiz nur Staub war,
Farbenstaub, den Zephnr abhaucht,
Den der Strahl der Sonne bleichet,
Der im Fangen sich verwischte.
Als ich nun die Täuschung wahrnahm,
kam die Weisheit mir zurücke,
Und ich gab den trügerischen
Buttervogel selbst den Winden,
Und mit ihm auch jede Sorge,
Jeden Wunsch und jede Sehnsucht.
Sucht wieder meinen Quell auf
Unterm kühlen Pappelschatten;
Und nun wird der lose Knabe,
Wolle er nochmals mich verführen,
Wenn er noch so schmeichelnd lockte,
Nimmermehr von ihm mich fernen.

Theone und Nina

Die Töne

Ihr tiefen Seelen, die im Stoff gefangen

Die Töne

Ihr tiefen Seelen, die im Stoff gefangen,
Nach Lebensodem, nach Befreiung ringt;
Wer löset eure Bande dem Verlangen,
Das gern melodisch aus der Stummheit dringt?
Wer Töne öffnet eurer Kerker Riegel?
Und wer entfesselt eure Ätherflügel?

Einst, da Gewalt den Widerstand berühret,
Zersprang der Töne alte Kerkernacht;
Im weiten Raume hier und da verirret
Entflohen sie, der Stummheit nun erwacht,
Und sie durchwandelten den blauen Bogen
Und jauchzten in den Sturm der wilden Wogen.

Sie schlüpften flüsternd durch der Bäume Wipfel
Und hauchten aus der Nachtigallen Brust,
Mit mutigen Strömen stürzten sie vom Gipfel
Der Felsen sich in wilder Freiheitslust.
Sie rauschten an der Menschen Ohr vorüber,
Er zog sie in sein innerstes hinüber.

Und da er unterm Herzen sie getragen,
Heisst er sie wandlen auf der Lüfte Pfad
Und allen den verwandten Seelen sagen,
Wie liebend sie sein Geist gepfleget hat.
Harmonisch schweben sie aus ihrer Wiege
Und wandlen fort und tragen Menschenzüge.

Karoline von Günderrode

Karoline Friederike Louise Maximiliane von Günderrode (1780 – 1806), deutsche Dichterin, Schriftstellerin

Die Vögel

Wie lieblich und fröhlich

Die Vögel

Wie lieblich und fröhlich,
Zu schweben, zu singen;
Von glänzender Höhe
Zur Erde zu blicken!

Die Menschen sind töricht,
Sie können nicht fliegen;
Sie jammern in Nöten,
Wir flattern gen Himmel.

Der Jäger will töten,
Dem Früchte wir pickten;
Wir müssen ihn höhnen,
Und Beute gewinnen.

Friedrich Schlegel 

Karl Wilhelm Friedrich von Schlegel (1772 – 1829), deutscher Schriftsteller, Literatur- und Kunstkritiker, Kulturphilosoph, Altphilologe, Platoniker