Glasglocken

Auf alten Schnee sind etliche gestellt

Glasglocken

Glasglocken ihr! 
Seltsame Pflanzen, immerdar geschützt,
Und draussen stürmt der Wind durch meine Sinne!
Ein ganzes Tal der Seele ewig regungslos
Und feuchte Wärme, mittags eingeschlossen!
Die Bilder, die man an des Glases Oberfläche sieht!


Hebt niemals eine auf!
Auf alten Mondschein sind ein paar gestülpt.
Blick' durch das Blattwerk:
Es sitzt vielleicht ein Landstreicher auf dem Thron,
Man meint, Seeräuber lauerten auf einem Teich,
Und Vorwelttiere drohen Überfall den Städten.

Auf alten Schnee sind etliche gestellt,
Gestülpt sind andre über alten Regen.
(Habt Mitleid mit dem eingeschlossnen Dunst!) 
ch hör' ein Fest am Sonntag feiern in der Teurung,
Ein Lazarett ist auf dem Erntefeld,
Und alle Königstöchter irren an einem Fasttag durch die Auen!

Gib acht auf die am Horizont zumal!
Sie decken alte Ungewitter sorgsam zu!
O, irgendwo muss eine grosse Flotte im Sumpfe sein!
Und Schwäne haben, deucht mich, Raben ausgebrütet!
(Kaum sieht man durch den feuchten Dunst!)

Eine Jungfrau begiesst Farnkraut mit heissem Wasser,
Und eine Schar von kleinen Mädchen belauscht den Klausner in der Zelle.
In einer gift'gen Grotte Grund sind meine Schwestern eingeschlafen!
O harrt, bis endlich Mond und Winter Die Glocken decken, rings im Eis verstreut!

O harrt, bis endlich Mond und Winter
Die Glocken decken, rings im Eis verstreut! 

Maurice Maeterlinck

Graf Maurice (Moorien) Polidore Marie Bernhard Maeterlinck (1862 – 1949) belgischer Schriftsteller, Dramatiker. Literaturnobelpreis 1911.